Willkommen zur Eröffnung des Sommerlochs 2011, heute mit dem Thema „Eurovision Song Contest“.
In Zeiten von „DSDS“ und „Popstars“ vergisst man leicht, dass es ja einen Gesangswettbewerb gibt, der schon viel, viel älter ist als das Castingshow-Phänomen. Auch wenn der Grand Prix Eurovision, welcher mittlerweile eigentlich Eurovision Song Contest genannt wird, sich von Casting-Shows im Konzept recht deutlich unterscheidet, so gibt es doch einige markante Gemeinsamkeiten. Beides sind Gesangswettbewerbe, bei denen es aber nicht wirklich ums Singen geht. In beiden Fällen kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass den jeweiligen Gewinner des Wettbewerbs keine große musikalische Karriere durch seinen Sieg erwartet. Und bei Beidem sitzt man als Zuschauer mit beiden Händen am Kopf, wenn man sieht, wer zum Gewinner gekürt wurde.
So auch letzten Samstag, als in Düsseldorf beim diesjährigen ESC das Lied „Running Scared“, welches für Aserbaidschan ins Rennen ging, zum Sieger gewählt wurde. Und wieder einmal muss ich mir die Frage stellen, wie es denn sein kann, dass die Mehrheit des Publikums nicht in der Lage ist gesangliche und musikalische Qualität zu erkennen und auch zu würdigen. Während der Gesang der Interpreten „Ell & Nikki“ beim regulären Auftritt zumindest halbwegs stabil, wenn auch unerträglich erschien, so zeigte sich beim erneuten Auftritt nach Ende der Punktevergabe, dass deren stimmliche Qualität irgendwo zwischen Rebecca Black und Justin Bieber liegt.
Auch das Lied selbst ist sicherlich nicht das Beste, was der Wettbewerb zu bieten hatte, sondern lediglich eine durchschnittliche Pop-Schnulze, was durch die Schmonzetten-hafte Performance noch unterstrichen wurde. Trotzdem, das Publikum die Jury waren offenbar überzeugt, und so dürfen wir uns nächstes Jahr über den ESC in Aserbaidschan freuen. Am spannendsten wird sicher, mit welcher Professionalität das Event in diesem Land tatsächlich über die Bühne gehen wird. Doch ich bin sicher, Aserbaidschan wird sich nicht blamieren wollen, und dank einer wachsenden Wirtschaft durch Erdöl, wird man die nötigen Mittel sicher beschaffen können.
Was nach dem Wettbewerb bleibt, sind eine fantastische Show in Düsseldorf und das kleine Zicklein Lena, dessen Karriere-Höhepunkt ohnehin schon ein Jahr zurückliegt. Lenas neues Album verkauft sich deutlich zurückhaltender als ihr erstes und auch der ESC-Titel „Taken by a Stranger“ wollte in Deutschland keine nationale Euphorie hervorrufen. Vermutlich sehnt sie sich zurück in die guten alten Zeiten, als die ganze Nation „Satellite“ auf Repeat am iPod hatte. Mittlerweile fällt das ehemalige „Fräuleinwunder“ nur noch mit patzigen Interviews auf, wie zuletzt bei Frank Elstner. Für die einen ist es „Natürlichkeit“, für die anderen die wahrscheinlich nervigste Tussi der Welt. Wie auch immer man zu ihr stehen mag, ihre große Karriere scheint jedenfalls zu Ende zu sein.
Ein ähnliches Schicksal ereilt wohl auch denjenigen, der eine Woche vor dem ESC, bei RTL die neueste Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ gewonnen hat. Pietro Lombardi, 18 (Alter und geschätzter IQ), ging Anfang Mai als Gewinner der mittlerweile achten Runde des RTL-Casting-Zirkus hervor. Dass ausgerechnet die dümmste Nuss das Rennen gemacht hat, ist nur logisch, dürften sich doch viele RTL-Stammgucker mit ihm identifizieren können. Wobei es ja überhaupt fraglich erscheint, ob bei DSDS die Anruferstimmen tatsächlich einen Einfluss auf die Ergebnisse haben.
Seit die Show im Jahr 2002 zum ersten Mal im deutschen Fernsehen zu sehen war, hat sie eine deutliche Wandlung durchgemacht. Ging es in den ersten Staffeln tatsächlich noch um ein gewisses Talent zum Singen, erscheint die Show mittlerweile wie eine gut durchgeplante Doku-Soap, die für die Zuschauer vor allem wegen der Geschichten rund um die Kandidaten interessant sein soll.
Dabei hilft RTL auch immer wieder gerne nach, mit freundlicher Unterstützung von Deutschlands größten Käse-Blatt, der Bild-Zeitung. Die Themen dieser Staffel waren zu Beginn der „Zickenkrieg“ zwischen mehreren Kandidatinnen, der damit endete, dass eine Kandidatin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr teilnehmen durfte, so die offizielle Fassung. Tatsächlich dürfte RTL wohl erkannt haben, dass aus der Zicken-Story nichts mehr zum raus holen ist, und hat die Protagonistinnen nach und nach „ausscheiden“ lassen.
Weiter ging es mit der „unglaublichen“ Rückkehr von Kandidatin Sarah, die letztlich auch als Geliebte für ihr Mit-Opfer Pietro herhalten musste. Das „Traumpaar“ kam logischerweise auch zusammen ins Finale, wo mit einem Liebes-Duett noch mal ordentlich geschmalzt wurde, bevor der „Depp mit der Cap“ als Sieger gefeiert wurde. Was man von der Lovestory letztendlich halten darf, ist unklar. Laut Bild hat sich Sarah schon einen Tag nach dem Finale getrennt, wobei nach der Titelzeile lediglich davon gesprochen wird, dass sie nicht vor hat, Pietro zu heiraten. RTL hingegen hielt auch noch am Mittwoch nach dem Finale an der Geschichte fest, als Pietro zu Gast bei „Stern TV“ war.
Wie auch immer das ausgeht, fest steht, der einzige wirkliche Gewinner ist mal wieder RTL. Hammer Quoten (wie Bohlen sagen würde), Pietros Single verkauft sich zur Zeit wie warme Semmeln und die Verträge für die nächste DSDS-Staffel dürften auch bereits unterschrieben sein. Was bleibt ist ein Unterbelichteter, der gar nicht weiß wie ihm geschieht, eine junge Frau, die als Wunderpüppchen verkauft wird und wohl noch für ein paar CD-Verkäufe ausgequetscht wird, und all die anderen Casting-Opfer, die RTL Jahr für Jahr im Fernsehen vorführt. RTL-Chefin Anke Schäferkordt meinte dazu vor kurzem in einem Interview mit „Zeit Online“ lediglich, dass die Kandidaten nach so vielen Jahren wohl wüssten, was sie erwartet. Das gesamte Interview ist im Übrigen sehr lesenswert, gibt es doch einige Einblicke darin, was der Sender für ein Menschenbild hat.
Aber nochmal zurück zum „Eurovision Song Contest“. Für mich als Österreicher gibt es hier noch einen weiteren Teil der Geschichte, der interessant ist. Nachdem Österreich drei Jahre lang auf eine Teilnahme verzichtet hat, wegen den „ruinierten Gewinnchancen durch die neuen Regeln“, schickte man dieses Jahr doch wieder einen Teilnehmer im Rennen, vor allem wegen dem Erfolg von Lena, die auch in Österreich eine gewisse Fanbase hat. Sogar einen öffentlichen Vorentscheid gab es wieder, nachdem 2007 intern entschieden wurde, dass der „Starmania“-Teilnehmer Eric Papilaya mit einer „AIDS-Hymne“ antreten sollte, womit er natürlich kläglich im Halbfinale gescheitert ist.
Unser Star für Düsseldorf hieß Nadine Beiler, ebenfalls Teilnehmerin einer Casting-Show, genauer gesagt sogar die Gewinnerin der 3. Staffel von „Starmania“. Dies ist doch in gewisser Weise etwas Besonderes, ist sie doch außer Christina Stürmer die einzige „Starmania“-Teilnehmerin, von der man nach dem Ende der Show nochmal was gehört hat. Alle anderen Kandidaten von insgesamt vier Staffeln dieser Show, sind erwartungsgemäß wieder im Nichts verschwunden.
Doch zurück zu Nadine: Sie setzte sich in der Vorausscheidung gegen neun andere Kandidaten durch, darunter auch zwei weitere Ex-Casting-Show-Teilnehmer. Schließlich gewann sie die Finalrunde, vor dem „Helden von Morgen“-Proll Lukas Plöchl mit dessen Gruppe „Trackshittaz“, sowie der Band „Klimmstein“. Auch wenn sie von vielen Österreichern belächelt und teilweise auch gehasst wurde, gab es doch berechtige Hoffnung, dass sie den Wettbewerb mit Erfolg meistert. Stimmlich war sie auf jeden Fall weit vor Lena und den Siegern aus Aserbaidschan, doch das alles nützte nichts, musste sie sich mit ihrer Ballade „The Secret is Love“ doch schließlich mit Platz 18 im Finale begnügen.
Trotzdem überrascht es, dass sie jetzt in Österreich zumindest ein wenig gefeiert wird, allein schon weil sie das Halbfinale des ESC überstanden hat. Besonders der ORF lässt keine Gelegenheit aus, den eigentlich doch enttäuschenden 18. Platz, noch irgendwie schön zu reden. In den Nachrichten wurde von einem „Erfolg für Österreich“ gesprochen, und überhaupt sei das ja total ok, weil Udo Jürgens ja auch zwei Mal antreten musste, bevor er den Contest 1966 gewann. Nach der Logik des Senders, muss Nadine also noch zwei Mal antreten, und 2013 gewinnt sie dann den „Schas“, oder wie?
Aber im ernst, Nadine dürfte jetzt wieder dort landen, wo sie vor dem ESC schon war, nämlich in der Versenkung. Österreich bzw. der ORF möchte nächstes Jahr übrigens trotzdem wieder antreten, schließlich hat man auch keine andere Wahl, wenn man Platz 18 schon als Erfolg wertet. Ein wenig gebremster erscheint derweil Stefan Raab, der heute kund tat, sich im nächsten Jahr nicht mehr am Song Contest zu beteiligen, in welcher Form auch immer.
Wie auch immer das weiter geht, sowohl DSDS als auch der ESC dürften uns in den nächsten Jahren nicht erspart bleiben. Deswegen lehn‘ ich mich jetzt zurück, und freu mich schon wieder auf „Das Supertalent“ im Herbst 😛