Mal wieder Neues aus dem Bereich „nichts verstanden“:
Wie bereits berichtet, echauffiert sich unsere Lieblings-Fanseite Bisafans schon seit längerer Zeit über das bevorstehende Ende des täglichen Anime-Blocks auf RTL2.
Seit neuestem unterstreicht man dies dadurch, dass regelmäßig die Quoten des Anime-Blocks in pseudo-subtiler Manier veröffentlicht werden, zuletzt vom 13. Pokémon-Film. Dabei wird vor allem immer wieder betont, wie gut die Quoten in der so genannten werberelevanten Zielgruppe sind, im Vergleich zum Rest des Programms.
Dumm nur, dass man sich hierbei offenbar nicht bewusst ist, dass diese Zahlen für RTL2 komplett unerheblich sind. Denn die werberelevante Zielgruppe (sprich, 14 bis 49-jährige) ist im Fall des Anime-Programms nicht die tatsächliche Zielgruppe, sondern die eher unbekannte Gruppe der 3 bis 13-jährigen. Da diese Zielgruppe bis auf wenige Ausnahmen für die Fernsehsender eher uninteressant ist, findet sie auch wenig bis gar keine Erwähnung. Auch offizielle Zahlen dazu werden nur sehr selten veröffentlicht.
Insgesamt wirklich relevant ist diese Zielgruppe in Deutschland nur für Super RTL, den Kinderkanal von ARD und ZDF, sowie Nickelodeon. Auch RTL2 wollte ein klein wenig vom Kuchen abhaben, indem es seinerzeit den Anime-Block zur Mittagszeit eingerichtet hat. Das Problem hierbei ist nur, dass einerseits ein kleiner Interessenkonflikt mit Super RTL besteht, welches ja zur selben Sendergruppe gehört, was aber letztendlich nur eine geringe Rolle gespielt haben dürfte, andererseits, die eigentliche Zielgruppe des Senders die 14 bis 49-jährigen sind, die den Sender immer öfter meiden.
Den Grund dafür haben die Verantwortlichen wohl in der Anime-Schiene ausgemacht, was ja auch die offizielle Begründung des Senders war, warum diese gekippt wurde. Dadurch dass in Zukunft durchgehend Programm für die werberelevante Gruppe auf Sendung ist, erwartet man sich bei RTL2 nun eine dauerhafte Steigerung des Marktanteils in jener. Ob dies durch diese Maßnahme gelingt, ist allerdings zu bezweifeln. Denn das Problem scheint objektiv gesehen weniger an der Unterbrechung des Zielgruppen-Programms zu liegen, sondern eher an dem, was für die Zielgruppe gesendet wird.
Big Brother, X-Diaries & Co., Sitcom-Wiederholung und eine Menge billigst produzierte Shows bestimmen derzeit das Bild des Senders, abgesehen von eingekaufter Ware im Hauptabendprogramm. Genau von all dem wollen die Zuseher offenbar nichts mehr sehen, trotzdem hält RTL2 an seiner Linie fest und setzt weiterhin auf Formate dieser Art. Dass nun sogar das Anime-Programm in der Zielgruppe 14 bis 49 teilweise höhere Marktanteile hat, als das eigentlich für die Gruppe bestimmte Programm, spricht ebenfalls Bände. Doch wie bereits erwähnt, der Sender hat wenig von den guten Quoten der Animes, wenn der Rest des Programms diese nicht hat.
Darüber wie die Quoten in der für das Anime-Programm relevanten Zielgruppe (3 bis 13) im Einzelnen aussehen, kann leider nur gemutmaßt werden, denn in der täglichen Auswertung werden nur die Zahlen für das Gesamtpublikum und für die Gruppe der 14 bis 49-jährigen bekanntgegeben, außerdem veröffentlichen einige Sender nun auch Daten zu den 20 bis 59-jährigen.
Trotzdem lässt sich im Großen und Ganzen erkennen, dass RTL2 erhebliche Verluste in der ganz jungen Zielgruppe hinnehmen musste. Ersichtlich ist das Ganze in den vom Sender Super RTL veröffentlichen Mediadaten. So konnte ich zwei PDF-Files mit den jeweiligen Daten im Internet ausfindig machen, eines davon vom November 2007 (http://www.superrtl.de/Portals/0/eltern/mediadaten_lang.pdf), das andere vom März 2011 (http://superrtl.de/LinkClick.aspx?fileticket=wUFb26xmk5Y%3d&tabid=95).
Bei den 3 bis 13-jährigen hatte RTL2 im November ’07 noch durchschnittlich 5,5% Marktanteil, im März ’11 allerdings nur noch 2,6%, also um mehr als die Hälfte weniger als noch vor ca. 3 1/2 Jahren. Zum Vergleich, in der werberelevanten Zielgruppe waren es 2007 6,1% und 2011 5,5%, also ein deutlich geringerer Rückgang als bei der eher unwichtigen Gruppe der Kinder. Sicher, diese Zahlen sind nicht jeden Monat die selben, doch auch ganz subjektiv empfinde ich, dass allgemein das Interesse an den Anime-Serien auf RTL2 in den letzten Jahren zurückgegangen ist.
Das liegt, wie ich in dem Artikel von letzter Woche bereits geschildert habe, wahrscheinlich an der uninspirierten Auswahl an Serien sowie an der viel kritisierten Bearbeitung. Beides ist wohl darauf zurückzuführen, dass der Sender Animes eben auf die ganz junge Zielgruppe zuschneiden wollte. Da die Quoten in dieser so stark rückläufig sind und gleichzeitig auch die Quoten in der werberelevanten Zielgruppe für den Sender insgesamt zurückgehen, verliert der Anime-Block eben seine Existenzberechtigung.
Eine Möglichkeit dieses Problem zu lösen wäre womöglich gewesen, die Zielgruppe für Animes neu zu definieren, was mit einer anderen Serienauswahl und einem späteren Sendeplatz durchaus machbar gewesen wäre. Doch RTL2 konnte oder wollte wohl in dieser krisengebeutelten Zeit keine Experimente dieser Art machen, deswegen versucht man nun zumindest die eigentlich relevante Zielgruppe zu sichern.
Wie auch immer, der tägliche Anime-Block auf RTL2 ist in wenigen Tage Geschichte, da hilft es auch nichts im Zorn darüber zu berichten, dass Animes in der falschen Zielgruppe gute Werte haben. Wenn man sich schon über etwas beschwert, sollte man sich vorher darüber informieren, worum es eigentlich geht, denn nur dann kann man auch die richtigen Argumente liefern. Und dass Erwachsene den neuen Pokémon-Film am Nachmittag gut fanden, ist leider kein brauchbares Argument, sorry!